Olpe. Johanna Pulte von der SG Wenden gilt als großes Nachwuchstalent auf den längeren Mittelstrecken. Die 17-jährige Olperin überraschte im März bei den Deutschen Crosslauf-Meisterschaften in Sindelfingen mit Platz zwei, nun setzt sie bei den Deutschen Jugendmeisterschaften in Heilbronn zum nächsten Coup an. Über 3000 Meter der Weiblichen Jugend U18 hat sie große Medaillenchancen.
Deutsche Vize-Meisterin im Crosslauf
Sie macht nicht viel Aufhebens um ihre Person und um ihre Leistungen. Vom Typ her eher zurückhaltend, ein wenig introvertiert, fast schon schüchtern gibt Johanna Pulte ihre ersten Interviews. Am liebsten würde die 17-Jährige alle Antworten direkt mit ihren Laufleistungen geben. Und die sprechen eine klare Sprache, denn seit Januar eilt sie von Erfolg zu Erfolg: Hallen-Westfalenmeisterin über 1500 Meter, NRW-Hallen-Meisterin nach einem starken Schlussspurt über die gleiche Strecke und im März dann der große Coup bei den Deutschen Crosslauf-Meisterschaften in Sindelfingen, als sie mit einem beherzten Rennen in der Klasse der Weiblichen Jugend U18 und mit einem starken Schlussdrittel die Konkurrenz überraschte und zur Silbermedaille rannte.
DM-Quali über 1500 und 3000 Meter
Im kurzen Corona-Wettkampfsommer lief sie eine Bestzeit nach der anderen: Ende Juli stürmte sie in Wenden bei einem 3.000-Meter-Lauf hinter Tempomacher Alexander Henne (SG Wenden) zu 9:43,89 Minuten, zwei Wochen später lief sie abermals in Wenden in einem gemischten Rennen über 1500 Meter in 4:31,71 Minuten zur nächsten Bestmarke. Über beide Strecke hatte sie damit die Norm für die Deutschen Jugendmeisterschaften deutlich unterboten und liegt über beide Distanzen an zweiter Stelle der Deutschen Jahresbestenliste in ihrer Altersklasse.
„Ohne Laufen kann ich mir mein Leben gar nicht mehr vorstellen…“
„Ich bin zufrieden, es läuft ganz gut bei mir im Moment“, freut sich Johanna Pulte, die erst seit Herbst 2017 bei der SG Wenden leistungsorientiert trainiert und die über ihre große Leidenschaft mit Begeisterung sagt, „ohne Laufen kann ich mir mein Leben gar nicht mehr vorstellen“. Ausbildung und Leistungssport unter einen Hut zu bekommen, das ist mitunter gar nicht so leicht. Als Auszubildende zur Werkstoffprüferin bei der Firma Mubea in Attendorn muss sie des Öfteren in die Berufsschule nach Hagen. „Da bin ich dann hin und zurück allein vier Stunden unterwegs“, erzählt die junge Sportlerin, die ihre Berufswahl dennoch nicht bereut hat: „Irgendwas nur im Büro, am PC, das wär’ für mich nichts gewesen, ich wollte was Abwechslungsreiches machen.“
Trainer Bröcher: „Sie weiß noch gar nicht, was für ein Potenzial sie hat“
Leichtathletik-Trainer Egon Bröcher (62), seit über drei Jahrzehnten Übungsleiter der SG Wenden und zugleich Landestrainer NRW Mittelstrecke, hat schon viele Talente kommen und gehen sehen. Angesprochen auf das Leistungsvermögen seines derzeit hoffnungsvollsten Nachwuchses gerät er aber ins Schwärmen. „Sie ist noch jung und unbekümmert. Sie weiß noch gar nicht, was für ein Potenzial sie eigentlich hat. Wenn die erfahrenen Hasen sie aber im Training sehen, die wissen sofort, wohin es mit ihr gehen kann.“
„Ich will Johanna nicht verheizen“
Weit nach oben nämlich, sofern Johanna Pulte in den nächsten Jahren verletzungsfrei bleibt. Bröcher ist überrascht vom riesengroßen Sprung, den sein Schützling bereits in diesem schwierigen Wettkampfjahr gemacht hat – und das, obwohl er mit einem langsamen Trainingsaufbau auf den langfristigen Erfolg seiner Athleten setzt. Ein Beleg für den behutsamen Aufbau, war die Startabsage bei den Deutschen Hallenmeisterschaften im Februar dieses Jahres. Nach den starken Leistungen über 1500 Meter bei den Westfalen- und NRW-Meisterschaften hätte Johanna Pulte bei der DM große Chancen auf eine Top-Platzierung gehabt, doch „das Rennen wäre dann einfach zu viel geworden, ich will Johanna nicht verheizen“. Auch vor den Deutschen Meisterschaften vom 4. bis 6. September 2020 hat er das Trainingsprogramm nicht forciert. Bröcher: „Wir wollen in Heilbronn ohne Steigerung des Umfangs das Maximum rausholen.“
Johanna Pulte gibt den Takt vor
Johanna Pulte bringt all die sportlichen Tugenden mit, die eine erfolgreiche Mittel- und Langstreckenläuferin braucht. „Sie ist jetzt schon unheimlich zielorientiert, ist sehr trainingsfleißig, hatten einen großen Willen und ist auch mental stark. Sie weiß was sie will und man muss sie eher bremsen statt zusätzlich motivieren“, weiß Trainer Bröcher um ihre Qualitäten. Er sieht ihre Stärken künftig vor allem auf den etwas längeren Strecken – über 3.000 und 5.000 Meter. Sobald Johanna Pulte das Stadion betritt, ist sie voll fokussiert auf ihren Sport, ob im Wettkampf oder schon im Training. Warmlaufen, Lauf-ABC, Steigerungsläufe und dann einige Tempoläufe auf der Kunststoffbahn in Wenden – selbstbewusst läuft sie auch im Training bei der starken männlichen Konkurrenz im Team der SG Wenden vorneweg. „Sie lässt sich von anderen nicht das Tempo diktieren. Sie selbst gibt immer den Takt vor“, ist Bröcher auch über diese Eigenschaft begeistert. Diese Fähigkeit, mutig vorneweg zu laufen, ein Rennen zu gestalten, statt sich nur hinter rein zu hängen und abzuwarten, hat sie schon mehrfach unter Beweis gestellt. Auch Johanna Pulte könnte sich den Buchtitel von Olympiasieger Dieter Baumann, „Ich laufe keinem hinterher“ zu eigen machen – auch sie ist im besten Sinne keine Mitläuferin, sondern eine Vorausläuferin.
DM-Medaille über 3000 Meter im Visier
Ihre läuferischen Qualitäten will Johanna Pulte auch bei den Deutschen Jugendmeisterschaften in Heilbronn über 3.000 Meter unter Beweis stellen. Am 4. September steht sie um 17.50 Uhr an der Startlinie. Mit der zweitbesten Meldezeit aller Teilnehmerinnen hat sie große Chancen auf eine DM-Medaille, doch dafür muss dann auch alles passen. „Je näher das Rennen rückt, desto aufgeregter bin ich auch“, gibt Johanna Pulte Einblick in ihr Gefühlsleben vor dem großen Wettkampf. Mit der bisher besten Deutschen in diesem Jahr, Hannah Rödel vom LC Rehlingen (Meldezeit 9:42,97) und der Triathletin Jule Behrens vom ASC Darmstadt (Meldezeit 9:49,32), die noch im März mit weitem Vorsprung vor Pulte Deutsche Crossmeisterin wurde, ist die Konkurrenz bärenstark. „Ich bin gespannt wie das Rennen verläuft, es wird sicher ein taktischer Wettkampf werden“, so Johanna Pulte. Viel Erfolg wünscht der Nachwuchsläuferin übrigens Deutschlands erfolgreichste Langstreckenläuferin, die 45-fache Deutsche Meisterin Sabrina Mockenhaupt. Sie erinnert sich noch an ihre Bestzeit über 3.000 Meter in diesem Alter. „Ich bin mit 17 Jahren 9:49 Minuten gelaufen“, erinnert sich Mocki, die der jungen Olperin sportlich alles Gute wünscht. „Der Laufsport braucht so junge Talente.“
- Zur Person: Johanna Pulte
- Geboren: 4. April 2003
- Geburtsort/Wohnort: Olpe
- Geschwister: Jonas (23), Julian (21)
- Verein: SG Wenden
- Beruf: Ausbildung zur Werkstoffprüferin bei Mubea (Attendorn)
- Sportliche Erfolge – alle 2020: Westfälische U18-Hallenmeisterin 1500 Meter, NRW-U18-Hallenmeisterin 1500 Meter, Deutsche Vize-Meisterin im Crosslauf Weibliche Jugend U18 – jeweils Rang 2 in der Deutschen Bestenliste der Weibliche Jugend U18 über 1500 Meter (4:31,71 min.) und 3.000 Meter (9:43,89 min.).