Espa-Langgöns. Himmelfahrtstag 1991 in Köln. Am Abend wird im Sportpark Höhenberg ein 10.000-Meter-Bahnrennen gestartet. Im Teilnehmerfeld sind mit Ralf Heinbach aus Dreis-Tiefenbach und Dieter Müller aus der Hengsbach von der LAG Siegen auch zwei Siegerländer Läufer. Es sollte ein historisches Rennen werden, an dessen Ende Ralf Heinbach einen neuen Siegerlandrekord aufstellte. Das war heute vor 30 Jahren.
Zahlreiche Rekorde mit Modell Cross-Country von Adidas
Diese Schuhe könnten viele Geschichten erzählen. Von schnellen Rennen und einem halben Dutzend Rekorden. Das Obermaterial verschlissen, die Nägel ein wenig rostig, an der Sohle noch Erde und Grashalme von den letzten Crossläufen, eine Jahrzehnte alte „Bodenprobe“. „In diesen Schuhen bin ich fast alle wichtigen Wettkämpfe auf der Bahn und im Cross gelaufen. So etwas kann man nicht in die Tonne werfen,“ blickt Ralf Heinbach, der erfolgreichste Langstreckenläufer des Siegerlandes der vergangenen fast vier Jahrzehnte, auf die aus heutiger Sicht eher schweren blauen Nagelschuhe, Modell Cross-Country von Adidas. „Die habe ich auch bei meinem besten 10.000-Meter-Rennen getragen“, erinnert sich der 56-Jährige, bis heute mehrfacher Siegerlandrekordhalter über die Langstrecken.
„Die Bedingungen waren fast wie aus dem Bilderbuch“
Dieser Wettkampf über 25 Runden am 9. Mai 1991, beim Christi-Himmelfahrt-Sportfest des TuS rrh. Köln im Sportpark Höhenberg, an dem neben Ralf Heinbach auch sein Vereinskollege Dieter Müller (beide im Trikot der LAG Siegen) teilnahm, wurde zum Rekordrennen aus Sicht der Siegerländer Leichtathletik. Heinbach, der die Bestmarke auf dieser Strecke 1988 an seinen Vereinskollegen Michael Loos verloren hatte, wollte sich an diesem Tag unbedingt die Bestmarke zurückholen. Er war gut vorbereitet, hatte sich zuvor in Rennen auf den Unterdistanzen über 1500 und 3000 Meter die nötige Tempohärte geholt. „Die Bedingungen waren fast wie aus dem Bilderbuch. 10 Grad, trocken, windstill, ein Hase der fürs Tempo sorgte, von 100 Rennen gibt es nur ein Mal so einen Wettkampf, bei dem alles stimmt“, erinnert sich Ralf Heinbach an das Rennen, auf den Tag genau vor 30 Jahren.
Schnelles Rennen mit der Chance auf eine 28-Minuten-Zeit
Nach dem Start lief Ralf Heinbach die ganze Zeit in der Spitzengruppe hinter dem „Hasen“ Thomas Marx und Lokalmatador Robert Krämer. Es war ein verdammt flottes Tempo. „Ich fühlte mich absolut locker. Die ersten 5.000 Meter bin ich in 14:32 Minuten angelaufen, da lagen wir noch eine 28er-Endzeit im Blick.“ Doch nachdem der „Hase“ bei Kilometer sechs ausgestiegen war und niemand in der Spitzengruppe das Tempo machen wollte, wurde die Pace unrhythmisch, die Sekunden rannen dahin und es entwickelte sich ein typisches Ziehharmonika-Rennen. Im Endspurt setzte sich dann der Heidelberger Hindernisspezialist Engelbert Franz als Sieger durch, Ralf Heinbach im Trikot der LAG Siegen wurde Zweiter in neuer persönlicher Bestzeit von 29:17,38 Minuten, Dieter Müller lief als Siebter in neuer Bestzeit von 29:51,89 Minuten über die Ziellinie.
Heinbach mit einem lachenden und einem weinenden Auge
Mit dem neuen Siegerlandrekord war Ralf Heinbach 1991 auch der Beste in Westfalen, in der Deutschen Bestenliste reichte seine Zeit lediglich zum 19. Platz (!). Zum Vergleich: In der DLV-Bestenliste der Männer für das Jahr 2020 hätte es zu Rang 6 gereicht. „Ich hatte ein lachendes und ein weinendes Auge“, blickt Heinbach zurück auf das beste 10.000-Meter-Rennen seines Läuferlebens. „Ich hatte mir zwar den Siegerlandrekord zurückgeholt, doch an diesem Abend war tatsächlich eine 28er-Zeit für mich drin.“
Heinbach hält noch immer sieben Siegerlandrekorde der Männer
Es sollte nicht der einzige Siegerlandrekord bleiben. Bis heute hält Ralf Heinbach, der seit 2002 in Mittelhessen lebt (seit 2013 in Langgöns-Espa/Kreis Gießen) und seit 2005 eine Laufschule betreibt (dauerlauf-mittelhessen.de), die Siegerländer Männerrekorde über 3.000, 5.000, 10.000 Meter, im Halbmarathon, 25 Kilometer Mannschaft, im Stundenlauf und sogar mit der 4 x 1.500 Meter-Staffel. Nur am 25-Kilometer-Rekord von Walter Sidenstein (1:19:02 Std./1982) hat er sich vergeblich die Zähne ausgebissen, am Ende reichte Heinbachs Bestzeit (1:19:39 Std.) nicht ganz aus.
Keine Freundschaft mit der Königsdistanz Marathon
Mit dem Marathonlauf hat er sich auch nie so richtig anfreunden können. Ob beim Waldmarathon in Kandel 1984, beim Frankfurt-Marathon 1985 oder beim Paris-Marathon 1986 (32. Platz/2:33:05 Std.), immer ist irgendetwas schief gelaufen und er hat reichlich Lehrgeld bezahlt. „Ich habe alle Fehler gemacht, die man machen kann. Zu große Schuhe, zu wenig getrunken, das falsche getrunken, oder den Start verpasst.“ Wenn Ralf Heinbach heute als Lauftrainer seine Schützlinge auf die Königsdistanz vorbereitet, dann kann er von diesen Erfahrungen zehren. „Meine Fehler werden sie nicht wiederholen,“ ist sich Heinbach sicher. Der Läufer, der vor 30 Jahren Rekorde um Rekorde gelaufen ist, gibt den Teilnehmern seiner Laufgruppe vor allem einen Rat: „Nicht jeder muss ein Leistungsläufer werden. Beim Laufen geht es um Spaß und darum, gesund und verletzungsfrei zu bleiben.“
Zur Person
Name: Ralf Heinbach, geb. 17.07.64 in Siegen-Weidenau.
Wohnort: Aufgewachsen in Dreis-Tiefenbach, Gemeinde Waldsolms bei Wetzlar (2002-2013), lebt jetzt mit Familie in Langgöns-Espa/Gießen. Verheiratet, zwei Töchter (Lisa 16, Sonja 9 Jahre).
Vereine: TV Eckmannshausen (1975-1980), TV Jahn Siegen (1981-1989), TV Wattenscheid (1989/5 Monate), TV Jahn Siegen/LAG Siegen (1990 bis 2005), TSV Krofdorf-Gleiberg und Team Naunheim (seit 2005).
Erfolge: 1978 Deutscher Vizemeister Schüler A über 2000 Meter (5:57,4 min.), Siegerlandbestleistungen Männliche Jugend M14 über 2000 Meter (5:57,4 min.), 3000 Meter (9:28,4 min.) – Siegerlandbestleistung Männliche Jugend U18 über 3000 Meter (8:36,62 min.) – Siegerlandbestleistung Männliche Jugend U20 über 10.000 Meter (31:32,0 min.) und 25 Kilometer (1:22:08 Std.).
Siegerlandrekorde Männer: 3000 Meter (8:05,07 min./1993), 5000 Meter (14:03,21 min./1991), 10.000 Meter (29:17,38 min./1991), Halbmarathon (1:05:21 Std./1994), Halbmarathon Mannschaft in der Besetzung Walter Sidenstein (1:20:45 Std.), Ralf Heinbach (1:22:08), Gerhard Cordes (1:24:18), Stundenlauf (18.737 Meter/1993), 4×1500 Meter in der Besetzung Daniel Krpan, Michael Loos, Frank Winkelmann, Ralf Heinbach (16:07,46 min./1991).
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