Neuer Trend: Läufer wollen Erlebnisse und unvergessliche Momente

Siegen-Geisweid. Wie sieht die Zukunft des Wettkampf-Laufsports in Deutschland aus? Was müssen Veranstalter beachten, wollen sie in den kommenden Jahren noch, oder aber endlich wieder, eine erfolgreiche Veranstaltung anbieten? Welche Sicherheits- und Gesundheitsaspekte müssen sie beachten und welche Fallstricke drohen bei der Verletzung von Datenschutz und Persönlichkeitsrechten? Diese und viele weitere Fragen standen im Mittelpunkt des zweitägigen Laufsymposiums des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) im Haus Patmos in Siegen-Geisweid. Volkslauf- und Marathonveranstalter, Lauftreffleiter und Trainer aus der gesamten Republik waren angereist, um sich im Austausch mit Kollegen, in hochkarätig besetzten Vorträgen, Arbeitskreisen und Podiumsdiskussionen über die neuesten Entwicklungen und Laufsporttrends zu informieren.

Viele Veranstalter, auch hier in der Region, haben es längst zu spüren bekommen: die Teilnehmerzahlen stagnieren oder sind sogar rückläufig. Was die breite Masse der Läufer heutzutage und künftig wohl noch mehr sucht: Erlebnisse statt Ergebnisse. Nicht mehr der Leistungsgedanke allein, sondern der Spaß steht vermehrt im Vordergrund. Unter den 50 Symposiumsteilnehmern informierten sich auch der Organisator des Siegerländer AOK-Firmenlaufs Martin Hoffmann (:anlauf Siegen), Lauftrainerin Heike Schürbusch (:anlauf-Kurse Siegen), der Sportjournalist Frank Steinseifer (Laufen57.de) und Bettina Schönling (TuS Kaan-Marienborn) über die neuen Trends bei den Volksläufen.

Durch das zweitägige Programm führte Moderator Prof. Dr. Michael Böhnke, Professor für Systematische Theologie und Religionspädagogik im Fach Katholische Theologie an der Bergischen Universität Wuppertal.

DLV-Vizepräsident Reick:
Auch Ergebnisse zählen noch

Durch das zweitägige Programm führte Moderator Prof. Dr. Michael Böhnke, Professor für Systematische Theologie und Religionspädagogik im Fach Katholische Theologie an der Bergischen Universität Wuppertal, „im Nebenfach“ selbst ein begeisterter Läufer. Die Begrüßung und Eröffnung erfolgte durch den DLV-Vizepräsidenten Dr. Matthias Reick, der ankündigte, dass es beim DLV ab dem 1. Januar 2018 ein eigenständiges Referat „Laufen“ geben werde. Der DLV als größter Leichtathletik-Verband der Welt wolle Sportler und Veranstalter unterstützen, um Events mit unvergesslichen Momenten und Erlebnissen, aber auch mit persönlichen Bestzeiten zu ermöglichen.

DLV-Lauf Symposium Siegen 2017: DLV-Vizepräsident Dr. Matthias Reick begrüßte die Seminarteilnehmer und erläuterte die Ziele des Verbandes. Das Symposium fand zum zweiten Mal im Haus Patmos in Siegen-Geisweid statt.

Laufen im DLV

  • Der Deutsche Leichtathletik-Verband ist der größte LA-Verband der Welt. In 7.576 Vereinen sind aktuell 815.627 Mitglieder organisiert.

  • Alleine im Bereich des DLV gab es im vergangenen Jahr 3.400 angemeldete Laufveranstaltungen mit über 2 Millionen Teilnehmern.

  • In den Sportvereinen gibt es 3.900 Lauftreffs – 3.030 sind angemeldete DLV-Lauftreffs.

Wohlgemerkt, diese Stattistik fasst nur die Veranstaltungen und Teilnehmer zusammen, die vom DLV erfasst wurden. Hinzu kommen Firmenläufe, Extrem- und Eventläufe sowie private und kommerzielle Lauftreffs und Laufschulen, die nicht über den DLV organisiert oder beim Verband angemeldet sind.

Wirtschaftskraft Volksläufe:
Jahresumsatz stieg auf 72 Millionen Euro

Der Konjunktur- und Marktforscher Prof. Dr. Roland Döhrn, Beitreiber der Seite laufmarkt.de und Veranstalter des Marathonlaufs in Essen, fütterte die Seminarteilnehmer mit ein paar Eckdaten über den Laufmarkt. Seiner Datenerhebung zufolge seien 2017 bei Läufen in Deutschland rund 72 Millionen Euro (2012: 51 Mio. Euro) umgesetzt worden, so viel wie nie zuvor. Hier machen die Läufer den Löwenanteil von 82 Prozent aus und liegen damit deutlich vor Skatern und Walkern (rund 1 Prozent). Eine Überraschung hatte Döhrn parat: So scheint der erste Boom der OCR-Läufe (Obstacle Course Racing), also Extremhindernisläufe, auch bereits wieder vorbei zu sein. Erstmals seit Jahren gab es in diesem Segment wieder einen Umsatzrückgang  von 15 Prozent auf nunmehr 8,3 Mio. Euro.

Der Konjunktur- und Marktforscher Prof. Dr. Roland Döhrn (rechts), Beitreiber der Seite laufmarkt.de und Veranstalter des Marathonlaufs in Essen, erläuterte den  Seminarteilnehmer mit ein paar Eckdaten den aktuellen Laufmarkt. Der Kölner Sportwissenschaftler Dr. Dirk Steinbach (links) gab den Vereinen den Rat, sich auf dem Markt mit einem klaren Konzept zu positionieren.

Weiterhin stellte der Laufmarktforscher fest, dass es insgesamt eine marginale Zunahme der Teilnehmer bei „Stadionfernen Laufveranstaltungen“ gibt, die Anzahl der klassischen Stadtläufe, die Teilnehmerzahlen bei Marathonläufen (an den drei größten Marathonläufen nehmen 46 Prozent der Sportler teil) und auf allen klassischen Strecken wie 10 Kilometer und über die Halbmarathon-Distanz jedoch leicht rückläufig sind. Eine Zunahme gibt es hingegen auf den kürzeren Distanzen wie dem 5-Kilometer-Lauf. Dass Zeiten und Platzierungen bei Laufveranstaltungen außerhalb des Stadions längst nicht mehr die wichtigste Rolle spielen, belegte Döhrn mit einer anderen Zahl: „Früher hatten wir viele Läufer im Drei-Stunden-Bereich. Danach haben wir den Zielschluss immer weiter nach oben verschoben, auf fünf und sechs Stunden. In England ist bei Marathonläufen ein Zielschluss von acht Stunden völlig normal.“

Sportwissenschaftler Dr. Dirk Steinbach:
„Wohin will ich mit meinem Lauf?“

Der Kölner Sportwissenschaftler Dr. Dirk Steinbach bestätigte diesen Trend: „Die Menschen messen sich immer noch gerne, aber sie suchen neue Formen, um sich miteinander zu messen“, sagte der frühere Ironman-Hawaii-Triathlet. „Die Art, wie man sich messen will, verändert sich gewaltig. Es entwickeln sich immer wieder neue Challenges.“ Vor allem für die kleineren und ehrenamtlich organisierten Volksläufe, die rückläufige Teilnehmerzahlen beklagen, sei die aktuelle Entwicklung jedoch auch eine Chance zur Modernisierung. Er gab Veranstaltern, gleich welcher Größenordnung, den Rat, sich immer wieder die Frage zu stellen: „Wohin will ich mit meinem Laufevent? Was zeichnet uns aus? Was ist unsere Vision?“ Erst wenn dies geklärt sei, folge im nächsten Schritt eine systhematische Strategieentwicklung.

Nicht nur Theorie – das Symposium war auch praxisnah. Im Rahmen des DLV-Lauf-Symposiums waren die Teilnehmer zur Gala „Läufer des Jahres“ in die Krombacher Brauerei eingeladen. Hier gings dann aufgeteilt in verschiedenen Leistungsklassen im gemeinsamen Dauerlauf über die Höhen in Krombach. Hier der Start der schnellen Gruppe mit dem Deutschen-Marathon-Rekordhalter Arne Gabius (4. von rechts).

Urban-Run – Laufen in der Stadt
durch Kirchen und Museen

Ein Beispiel dafür, wie spaßorientiertes Laufen ohne Zeitnahme aussieht, erläuterte Frank Lebert, Geschäftsführer der Deutschen Leichtathletik Marketing GmbH (DLM) am Konzept „Urban Trail“. Dabei handelt es sich um zehn Kilometer lange Entdeckungsläufe durch Städte wie Dortmund, Oberhausen und Bochum. „Das ist eines dieser neuen Formate die wir brauchen. Gelaufen wird durch die Beautys der Stadt, durch Museen oder Kirchen. Wir brauchen noch mehr Läufe, die eine Schwelle unterhalb von Marathon und Halbmarathon liegen.“

Imagegewinn: (Lauf-)Sportveranstaltungen
als ideales Stadtmarketing

Dass Sport bestes Standortmarketing und Wirtschaftsförderung für eine Stadt sein kann, das erläuterte Martin Ammermann, Executive Direktor Sports von der Sportstadt Düsseldorf. So seien beim Marathon Düsseldorf mittlerweile 25 Prozent der Teilnehmer aus dem Ausland. „Die sind dann am Ende glücklich im Ziel und nehmen einen bleibenden Eindruck von der Stadt mit nach Hause“, erklärte der frühere TV-Moderator. Er erinnerte an die Werbewirksamkeit des Tour de France-Starts 2017 in Düsseldorf und an die Anfang Juni in Düsseldorf ausgetragene Tischtennis-WM. „Mehr als 320 Millionen Fernsehzuschauern haben allein in China die WM verfolgt. Davon kommen vielleicht einige in unsere Stadt wieder, mit Familien, mit Geschäftspartnern und lassen Geld in der Stadt.“

Das 2. DLV-Lauf-Symposium in Siegen-Geisweid 2017 im Haus Patmos war mit hochkarätigen Referenten besetzt.

Vorbei die Zeiten, in denen eine Waschzettel-Einladung mit Datum, Uhrzeit und Streckenlänge, ein eilig aufgehängtes Start- und Zielbanner, sowie die Aussicht auf ein gemütliches Beisammensein im Anschluss des Laufs ausreichte, um hunderte Läufer an die Startlinie irgendwo in der Pampa fernab von einer Zuschauerkulisse zu locken. Jetzt will der Sportler ein Event erleben und dazu bedarf es eben auch einer zeitgemäßen Informationspolitik. DLV-Mediendirektor Peter Schmitt erklärte, die digitale Entwicklung werde von Veranstaltern häufig unterschätzt. Ohne großen Aufwand könne vor allem via Facebook und Instagram Aufmerksamkeit erzielt werden. „Es gibt Untersuchungen, wonach der Millennium-Jahrgang, also der 2000er-Jahrgang, mehr als 150 Mal am Tag auf sein Smartphone blickt.“ Die neue visuelle Welt müssten auch die Veranstalter für sich nutzen, eine gut gemachte Homepage sei zwar ein guter Anfang, doch echten Nutzen gebe es durch die gezielte Verbreitung von Informationen über die Social-Media-Kanäle. „Sie müssen die Läufer, vor, während und nach der Veranstaltung begleiten. Mit guten Inhalten, ausdrucksstarken Fotos, Videos oder einem Livestream. Sie müssen die Teilnehmer überzeugen, dass sie ausgerechnet mit dem Start bei diesem Lauf die richtige Entscheidung getroffen haben.“

Christian Ermert: „Transport von Emotionen“

Wie wichtig die Präsenz auf Online-Plattformen und via Social Media ist, das erläuterte Christian Ermert, Dipl. Sportlehrer und Chefredakteur der Online-Plattform „laufen.de“ und der bisher gleichnamigen Zeitschrift, die ab sofort unter dem Namen „LÄUFT.“ herausgegeben wird. „Läufer wollen Spaß haben, sie wollen Gemeinschaft erleben und sich am Ende rundum wohlfühlen“, betonte der ehemalige erfolgreiche Mittelstreckenläufer der LG Sieg. „Wer glücklich ist, der postet das auch. Er stellt Bilder von der Vorbereitung, von der Anreise, vom Event und vom Tag danach ins Netz. Das ist beste kostenlose Werbung für den Veranstalter.“ Es gehe darum, Emotionen zu transportieren und das geht vor allem über aussagekräftige „Fotos, Fotos, Fotos!“

Europäische Datenschutz-Grundverordnung
– was müssen Veranstalter beachten?

Jörg Schlegel, Leiter der ARAG Sportversicherung beim Landessportbund Württemberg, erläuterte den neuen Rahmenvertrag, den der DLV zur Absicherung von Nichtmitgliedern, die an stadionfernen, verbandsgenehmigten Laufveranstaltungen (früher Volksläufe) teilnehmen, abgeschlossen hat. Die zertifizierte Datenschutzbeauftragte Rose Müller und Mit-Organisatorin des renommierten Silvesterlaufes in Bietigheim sprach die im Mai 2018 in Kraft tretende Europäische Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO) an und mahnte Veranstalter eindringlich zum sensiblen Umgang mit personenbezogenen Daten. „Wer Fotos und Videos veröffentlicht, auf denen Kinder und Zuschauer zu erkennen sind, der bewegt sich auf ganz dünnem Eis.“ Das Recht am eigenen Bild („Bildnisrecht“) gehört zu den allgemeinen Persönlichkeitsrechten. Es besagt, dass jeder Mensch selbst bestimmen darf, ob oder in welchem Zusammenhang Fotos und Videos von ihm veröffentlicht werden dürfen. Ausnahme gelten bei (Sport-)Veranstaltungen, bei denen üblicherweise Fotos aufgenommen und veröffentlicht werden. Da ein Abfragen eines jeden Einzelnen, ob er die  Veröffenlichung genehmigt, kaum praktikabel ist, betonte Müller die Dringlichkeit für einen entsprechenden Passus bereits bei der Anmeldung zur Veranstaltung – Print und Online. Wer also nicht mit einem aktiv gesetzten Häkchen der Veröffentlichung von Fotos, Videos und Interviews zustimmt, dem wird die Anmeldung zur Veranstaltung schlicht verweigert und darf nicht starten!

Textvorschlag

„Mit der Teilnahme an diesem Laufwettbewerb erkläre ich mich mit der elektronischen Speicherung der wettkampfrelevanten Daten und der Veröffentlichung der Starterlisten und Ergebnisse in Aushängen, im Internet und in Publikationen einverstanden. Eine dauerhafte Verfügbarkeit von Ergebnislisten im Internet beeinträchtigt nicht die Persönlichkeitsrechte. Außerdem erkläre ich mich hiermit einverstanden, dass die im Zusammenhang mit der Laufveranstaltung gemachten Fotos, Filmaufnahmen und Interviews in Medien Werbung und Vervielfältigungen ohne Vergütungsanspruch veröffentlicht werden können. Sportler, die nicht mit einer Veröffentlichung einverstanden sind bzw. auf eine Unkenntlichmachung der eigenen Daten bestehen und dies vor dem Wettkampf erklären, können nicht zum Wettkampf zugelassen werden. Dem Wunsch des Teilnehmers, der erst nach dem Wettkampf eine Nichtveröffentlichung seines Ergebnisses oder seiner Fotos und Videos wünscht, kann nicht entsprochen werden!“
(Dieser Text ist ohne Gewähr und lediglich als Ergebnis des Symposiums zu verstehen! Eine juristische Beratung kann an dieser Stelle nicht erfolgen! )

DLV-Lauf Symposium Siegen 2017 mit Siegerländer Beteiligung (von links): Auch Laufveranstalter Martin Hoffmann (:anlauf Siegen), Lauftrainerin Heike Schürbusch (Laufschule :anlauf Siegen) und Sportjournalist Frank Steinseifer (Laufportal Laufen57.de) informierten sich bei dem zweitägigen Seminar über die neuesten Entwicklungen auf dem Laufmarkt.

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