Cuxhaven. Zwei heimische Läufer haben beim 14. Cuxhavener Stadtsparkassen Marathon einen echten Coup gelandet. So siegte überraschend Timo Böhl von der LG Wittgenstein in neuer persönlicher Bestzeit und neuem Streckenrekord von 2:35:25 Stunden vor seinem Trainingskollegen Tim Dally vom TuS Deuz, der in 2:35:40 knapp dahinter Platz zwei belegte. Sieger Böhl gegenüber Laufen57: „Es war ein tolles und spannendes Rennen. Wenn mir vor ein paar Jahren jemand erzählt hätte, ich würde im Marathon in diese Dimension vorstoßen, ich hätte es sicher nicht geglaubt!“
Cuxhaven-Marathon überzeugte mit ausgeklügeltem Hygiene-Konzept
Der Marathonlauf konnte in Corona-Zeiten nur aufgrund eines ausgeklügelten Hygiene- und Sicherheitskonzeptes stattfinden. So wurde das knapp 300-köpfige Teilnehmerfeld in Startblöcken zu je maximal 100 Läuferinnen und Läufer aufgeteilt, in jedem Block mussten sich die Teilnehmer in Viererreihen mit je 1,50 Meter Abstand und mit Maske aufstellen, die durfte erst unmittelbar vor dem Start abgenommen werden. Dann wurden die Läufer in Vierer-Startwellen alle fünf Sekunden auf die Strecke geschickt. Die Starter kamen fast aus der gesamten Bundesrepublik, der Anreiz, nach so vielen „virtuellen“ Wettkämpfen endlich wieder an einem „echten“ Rennen teilnehmen zu können, war groß. So war dann auch die Leistungsdichte und das Gesamtniveau des kleinen regionalen Marathons beachtlich: Zwölf Läufer blieben unter 2:45 Stunden.
Böhl und Dally ohne spezielle Marathon-Vorbereitung
Timo Böhl und Tim Dally hatten erst sehr kurzfristig entschieden, in Cuxhaven an den Start zugehen. Sowohl Triathlet Böhl als auch Trail- und Ultraspezialist Dally hatten ihr Training zuletzt überhaupt nicht auf einen Marathonlauf über einen flachen Asphaltkurs spezialisiert. Tim Dally hatte noch das Siegrennen beim 4. Südthüringentrail über 42 Kilometer und 2000 Höhenmeter von vor vier Wochen sowie den 24-Stunden-Trail von vor zwei Wochen in Arnsberg in den Knochen, als er mit kraftraubenden 84 Kilometern seinen Beitrag zum Staffelerfolg und zum Deutschen Vizemeistertitel beigetragen hatte. Auch Timo Böhl hatte keine ideale Vorbereitung hin auf schnelle 42,195 Kilometer: Der 32-Jährige war vor vier Wochen noch in der Österreichischen Steiermark beim Steiraman – Styrian X-treme Triathlon gestartet – ein Wettkampf, bei dem auf dem letzten Radstück und auf der Laufstrecke jeweils 1000 Höhenmeter zu bewältigen waren. Die Form für einen Berg-Triathlon war perfekt, doch für einen Marathon fehlten ihm die vielen langen Dauerläufe, in denen er auch mal das „Wohlfühltempo“ verlassen sollte.
Tempoeinheit an der Breitenbachtalsperre: 3 x 5 km in 17:40, 17:33, 17:33 Minuten
Die Entscheidung für einen Start in Cuxhaven kam letztlich erst nach einer Tempo-Trainingseinheit eine Woche vor dem Marathon in Cuxhaven: An der Breitenbachtalsperre waren Dally und Böhl gemeinsam 3 x 5000 Meter in 17:40, 17:33 und 17:33 Minuten gelaufen. „Es war dann eigentlich eine spontane Aktion. Tim hatte mich angerufen, ob wir nicht doch gemeinsam in Cuxhaven an den Start gehen sollen. Ich war zuerst eigentlich nicht so begeistert, doch ich habe ihm die Teilnahme dann doch nicht mehr ausreden können“, lacht der Berleburger Böhl. Die ursprüngliche Idee der beiden Lauffreunde lautete: Timo macht für Tim die Tempoarbeit über die ersten 25 bis 30 Kilometer.
Störenfriede auf dem Weg zu Rekordzeiten: Gegenwind, Rückenwind, Kopfsteinpflaster
Die Temperaturen am Wettkampftag waren mit 12 Grad recht gut, aber die weiteren Bedingungen waren für Bestzeiten eigentlich gar nicht optimal: Auf dem Vier-Runden-Kurs durch die Stadt mit etlichen Kopfsteinpflaster-Passagen und über die Strandpromenade ging es mehrmals auf den Deich, dann wieder runter, zudem störte ein ständiger Wechsel von kräftigem Rücken- und Gegenwind den Laufrhythmus. Böhl: „Ich fand aber die Strecke super. Mal Rückenwind, mal Gegenwind, das sorgte für Abwechslung, so kam man wenigstens etwas aus dem Trott heraus.“
Tim Dally hatte seine Bestzeit von 2:33:53 ins Visier genommen
Tim Dally war im Startblock fünf Sekunden vor Timo Böhl ins Rennen gegangen und wollte eigentlich seine Bestzeit von 2:33:53 Std. (Frankfurt 2015) ins Visier nehmen, doch dieses Vorhaben musste er schon frühzeitig begraben, das Anfangstempo war schon nach 5 Kilometern zu langsam, die Halbmarathonmarke passierte er nach 1:17 Stunden. Dally lief zunächst in einer rund 10-köpfigen Gruppe mit und sorgte immer wieder für die Führungsarbeit, später blieb nur noch eine Dreier-Gruppe übrig, ab Kilometer 30 sorgte er mit nur noch einem Kontrahenten für die Pace, auch den schüttelte er wenig später ab und es sprach vieles für einen Sieg des Netpheners. Doch bei Kilometer 34 wurde er dann von seinem Trainingskollegen Böhl eingeholt. Seine Taktik, dass Marathon-Rennen defensiv zu beginnen, ging voll auf. „Ich hatte zu dem Zeitpunkt schon total schwere Beine, vom Kreislauf her wäre noch viel mehr drin gewesen“, so Dally.
Timo Böhl hatte auf den letzten zwei Kilometern die größeren Reserven
Die beiden belauerten sich nun fünf Kilometer lang, ein „Gentlemen’s Agreement“ kam nicht in Frage. Dally setzte bei Kilometer 41 nochmal zur Schlussoffensive an, wurde dann aber von Timo Böhl ausgekontert, der die besseren Reserven hatte. Der freute sich dann riesig über seinen Sieg. „Nachdem im vergangenen Jahr in Frankfurt so gut wie alles schief gelaufen war, ich zu schnell angelaufen war und nur eine Zeit von 2:48 Stunden ins Ziel gebracht habe, war das in Cuxhaven für mich ein optimales Rennen.“ Nach den Erfolgen beim Rothaarsteig-Marathon 2017 und 2018 war dies sein dritter Gesamtsieg bei einem Marathonlauf.
Viel Grundlagentraining führte letztlich zur Leistungssteigerung
Wie bei so vielen anderen Läufern auch war es das viele Grundlagenausdauer-Training in Zeiten der Wettkampf-Ausfälle durch Corona das Böhl letztlich zu einem Leistungssprung führte. „Ich habe in den vergangenen Jahren zu viele Laufwettkämpfe gemacht. Ich bin mal hier, mal da gestartet. Jetzt konnte man mal ruhig durchtrainieren. Vielleicht ist es aber auch das abwechslungsreiche Triathlon-Training, das letztlich jetzt zum Erfolg auch im Marathon geführt hat. Im vergangenen Jahr habe ich mich mit großem Aufwand ganz akribisch auf den Frankfurt-Marathon vorbereitet und wollte schon da die 2:35 Stunden laufen, jetzt hat es ohne eine spezielle Vorbereitung und mit einer lockeren Einstellung sogar funktioniert. Es wird sicher nicht mein letzter Marathon gewesen sein. Mir macht die Strecke Spaß, mal seh’n, was da in den nächsten Jahren noch so geht.“ Im Ziel gab es zwar keine Siegerehrung, dafür aber Pokale und einen Gutschein über einen Startplatz im kommenden Jahr. Da könnten dann die beiden Trainingspartner Böhl und Dally erneut aufeinandertreffen.
Vanessa Günther läuft in 3:26:08 Stunden neue persönliche Bestzeit
In Cuxhaven am Start war auch eine Gruppe vom TuS Kaan-Marienborn. Eine beachtliche Leistung erzielte Vanessa Günther. Die 25-Jährige lief nach Hamburg 2018 (3:42 Std.) ihren zweiten Marathon und belegte in neuer Bestzeit von 3:26:08 den 10. Platz in der Frauen-Gesamtwertung. Erwähnenswert auch die Laufleistung von Wolfgang Teipel vom TV Attendorn. Der Läufer der M65 siegte in seiner Altersklasse in 3:22:45 Stunden.
Blick in die Ergebnisliste
14. Cuxhavener Stadtsparkassen Marathon
Männer: 1. Timo Böhl (LG Wittgenstein) 2:35:25 Std. – neuer Streckenrekord!; 2. Tim Dally (TuS Deuz) 2:35:40; …19. (3. M30) Sebastian Vollmers (TV Rönkhausen) 2:54:55; …62. (1. M65) Wolfgang Teipel (TV Attendorn) 3:22:45; …76. (2. M60) Horst Günther 3:30:19; …178. (25. M35) Stephan Heidrich (alle TuS Kaan-Marienborn) 4:17:16.
Frauen: …10. (3. W20) Vanessa Günther (TuS Kaan-Marienborn) 3:26:08 Std.
31,65 Kilometer
…17. (3. M35) Marco Werthebach (TuS Kaan-Marienborn) 3:12:31 Std.